Home Über uns Unsere Leistungen Kontakt Impressum AGB

 

 

Hormonbestimmung im Speichel

 

 

1.    Einleitung

1.1. Begriffsdefinitionen

1.2. Blut, Urin und Speichel als Analysenmaterial

1.3. Zu erwartende Konzentrationsbereiche

 

2.    Die Probensammlung

2.1. Das Sammelgefäß

2.2. Störende Einflüsse im Speichel

2.3. Stabilität der Speichelprobe

2.4. Strategie zur Sammlung von Speichelproben

2.5. Steuerung der Hormonsekretion

 

3.    Die Messung der Hormonkonzentration im Labor

3.1. Probenvorbereitung

3.2. Analytische Systeme

3.3. Ergebnisübermittlung und Interpretation der Werte

 

4.    Vergleich von Blut- und Speichelanalytik

4.1. Die Hormonbestimmungen im Serum in der wissenschaftlichen Literatur

4.2. Physiologische Aspekte

4.3. Analytische Aspekte

4.4. Ethische Aspekte

 

5.    Schlussbetrachtungen

 

 

 

 

 

1. Einleitung

 

 

 

1.1. Begriffsdefinitionen

 

 

Seit nahezu einem Jahrhundert werden Hormone in verschiedenen Körperflüssigkeiten gemessen, um hilfreiche Aussagen zur Diagnostik von Krankheiten oder anderen Zuständen bei Patienten zu bekommen. Besonders seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat es einen gewaltigen Aufschwung gegeben bei der Entwicklung von äußerst sensitiven Verfahren zur Messung selbst kleinster Hormonkonzentrationen.

Diese Informationsschrift beschränkt sich auf die Darstellung der analytischen Verfahren zur Messung der Steroidhormone. Als Steroide werden alle Hormone bezeichnet, die ein charakteristisches Molekülgerüst besitzen, bestehend aus 3 Sechser- und einem Fünferring (siehe Titelblatt). Hierzu zählen unter anderem

 

-Cortisol    das sog. Stresshormon

 

-Testosteron  das männliche Sexualhormon

 

-Estradiol (oder Östradiol) der Hauptvertreter der Östrogene (weiblich prägende Hormonarten)

 

-Progesteron  das Gelbkörperhormon (gehört zur Gruppe der Gestagene)

 

-DHEA der Hauptvertreter der Androgene (männlich prägende Hormonarten)

 

 

 

Die Konzentrationen dieser Hormone im menschlichen Organismus sind sehr gering. Daher muß man an die Qualität der Bestimmungsmethoden sehr hohe Anforderungen stellen. Andernfalls ist mit unbrauchbaren Ergebnissen zu rechnen, die eher schaden als nützen und die auch volkswirtschaftlich nicht zu verantworten sind. In den nachfolgenden Kapiteln sollen daher die zur Zeit gängigen Bestimmungsmethoden auch kritisch betrachtet werden.

 

 

 

1.2. Blut, Urin und Speichel als Analysenmaterial

 

 

Hormonbestimmungen werden heutzutage in erster Linie vorgenommen im Blut bzw in seinen Bestandteilen (Serum und Plasma). Serum wird durch Zentrifugation aus geronnenem Blut gewonnen, während Plasma gewonnen wird, indem man bei der Blutabnahme Gerinnungshemmer zusetzt und dann die Blutzellen abtrennt. Plasma enthält also noch sämtliche Gerinnungsstoffe.

 

In weitaus geringerem Maße werden für die Hormonanalytik auch Urinproben verwendet. Um hier aussagefähige Werte zu bekommen, muß die gesamte Urinausscheidung über 24 Stunden gesammelt werden. Dies stellt eine erhebliche Belästigung der Patienten dar und ist auch mit nicht zu unterschätzenden logistischen Problemen verbunden.

 

 Die Bestimmung von Steroidhormonen im Speichel hatte in den 80er Jahren eine erste Blüte erlebt und zumindest die medizinische Forschung sehr beflügelt. Wegen der relativ großen Speichelvolumina und der umständlichen Analyseverfahren (Extraktion, radioaktive Isotope) hat sich diese Methode dann aber doch nicht für die Routine durchsetzen können. Erst zum Ende der 90er Jahre wurde dieses Thema wieder aktuell, da in der Zwischenzeit bei der Entwicklung der Speichelanalytik große Fortschritte erzielt wurden. In den nachfolgenden Kapiteln wird die Speichelanalytik im Detail dargestellt, da dieses diagnostische Verfahren immer noch relativ unbekannt ist, aber sowohl für den Arzt als auch besonders für den Patienten ganz offensichtliche und diagnostisch sehr erhebliche Vorteile bietet. In der englisch-sprachigen Literatur wird Speichel als Saliva bezeichnet. In neuerer Zeit setzt sich dieser Ausdruck auch im deutschen Sprachraum immer mehr durch.

 

 

 

1.3. Zu erwartende Konzentrationsbereiche

 

 

Um eine zuverlässige Bestimmung von Steroidhormonen durchführen zu können, werden Analyseverfahren benötigt, mit denen man sicher im Pikogramm-Bereich und noch darunter messen kann. Um einmal darzustellen,

in welchem Bereich wir uns hier bewegen, sollen die üblichen Konzentrationsbezeichnungen nachstehend kurz erläutert werden.

 

 1 Gramm = 1000 Milligramm (Abkürzung mg)

 

1 Milligramm = 1000 Mikrogramm (Abkürzung µg)

 

1 Mikrogramm = 1000 Nanogramm (Abkürzung ng)

 

1 Nanogramm = 1000 Pikogramm (Abkürzung pg)

 

 

Also ist 1 Gramm = 1000.000.000.000 pg oder anders herum ausgedrückt 1 pg = 0,000 000 000 001 g.

 

 Dies ist eine nahezu unvorstellbar geringe Konzentration, was das nachfolgende Beispiel einmal anschaulich machen soll.

 

Man stelle sich vor, dass man ein Stück Würfelzucker in einer Tasse Kaffe auflöst und die Tasse austrinkt. Dann nimmt man die leere Tasse (mit den wenigen Kaffeeresten an der Wand) und spült sie in einem Schwimmbecken von olympischen Ausmaßen aus (50 m lang, 20 m breit, 2 m tief). Nach intensivem Umrühren des Wassers im Schwimmbecken entnimmt man davon an einer beliebigen Stelle einen einzigen Tropfen zur Analyse mit einem modernen Verfahren (z. B. wie in der Speichelanalytik verwendet). Dieser Wassertropfen enthält ungefähr 1 pg Zucker, den man dann auch noch sicher mit dem Analyseverfahren nachweisen kann. Ein solcher Nachweis ist auch dann noch sicher möglich, wenn man zusätzlich kiloweise andere chemisch durchaus ähnliche Stoffe in das Schwimmbecken kippt, da die verwendeten Analyseverfahren eine sehr hohe Spezifität aufweisen. Dieses Beispiel soll ein Bild der heutigen analytischen Möglichkeiten eines modernen medizinischen Labors vermitteln. Mit diesen Konzentrationen hat man es tatsächlich auch zu tun, wenn man eine Hormonanalytik im Speichel durchführen will. Bei diesen extrem niedrigen Hormonkonzentrationen sind aber eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen bei der Probennahme erforderlich, ohne die zuverlässige Ergebnisse nicht zu erwarten sind.

 

Wie im Kapitel 4.2. noch ausführlich dargestellt wird, unterscheiden sich die Hormonkonzentrationen im Blut und im Speichel ganz erheblich. Sie stehen aber dennoch in einem Gleichgewicht und dieses Gleichgewicht stellt sich auch recht schnell ein, wenn im Blut eine Hormonzufuhr geschieht. Nach spätestens einer Minute kann man diese Zufuhr auch im Speichel nachweisen. Grundsätzlich ist die Hormonkonzentration im Speichel aber geringer und zwar um den Faktor 10 – 100. Dieser Konzentrationsunterschied ist von verschiedenen Faktoren abhängig und ist für jedes Hormon unterschiedlich. Daher ist es grundsätzlich nicht möglich, aus der Messung der Hormonkonzentration im Blut einen Rückschluss zu ziehen auf die entsprechende Konzentration im Speichel.

 

 

 

 

 

2.  Die Probensammlung

 

 

Speichelproben lassen sich im Gegensatz zu Blutproben praktisch jederzeit und ohne ärztliche Hilfe gewinnen. Auch gegenüber der Sammlung von Urinproben ist die Speichelsammlung sehr problemlos. Speichelproben kann jeder Betroffene auch auf Reisen, zu Hause, in der Freizeit  oder auch am Arbeitsplatz abnehmen. Damit eröffnen sich ganz neue diagnostische Möglichkeiten. Diese Aspekte sind sicherlich ein ganz wesentlicher Grund für das weit verbreitete Interesse an der Hormonbestimmung im Speichel.

 

 

 

2.1. Das Sammelgefäß

 

 

An das Sammelgefäß müssen ganz besondere Anforderungen gestellt werden, da die Speichelkonzentration der Hormone extrem gering ist. In diesen sehr niedrigen Konzentrationsbereichen gibt es Wechselwirkungen mit dem Material des Gefäßes (Adsorptionseffekte), die noch dadurch verstärkt werden, dass im Speichel praktisch keine Proteine vorhanden sind, die bei Blutuntersuchungen solche Effekte verhindern. Besonders beim Progesteron können  Adsorptionseffekte an der Gefäßwand auftreten, die bis zu 50% und mehr des Hormons wegfangen. Daher ist eine sorgfältige Auswahl des Sammelgefäßes durch den Arzt oder das Labor unerlässlich. Sammelgefäße müssen nachweislich darauf getestet werden, dass dieser Adsorptionseffekt nicht in nennenswertem Umfang auftritt. Als gerade noch tolerabel wird eine Adsorption von 10% angesehen. Der Kunststoff Polyäthylen (PE) ist für die Speichelanalytik grundsätzlich ungeeignet. Glasgefäße sind geeignet und daher auch als Referenz bei der Auswahl geeigneter Plastikmaterialien zu empfehlen. Hier gibt es aber das Problem mit den Kunststoffstopfen zum Verschließen der Glasröhrchen. Die Verwendung von Kunststoffstopfen bei Glasgefäßen muss daher hier als die Achillesferse betrachtet werden. In der Praxis haben sich Sammelgefäße aus ultrareinem Polypropylen (PP) bewährt, deren Qualität aber chargenabhängig schwanken kann. Daher ist eine Validierung jeder neuen Charge unerlässlich.

 

Die früher gern verwendeten Salivetten können nicht empfohlen werden, da diese sowohl falsch-hohe als auch falsch-niedrige Ergebnisse in der Speichelanalytik von Steroidhormonen bringen können. Dies gilt auch für Cortisolbestimmungen. Beste Erfahrungen wurden bisher gemacht mit den 2 ml Reaktionsgefäßen aus PP von Sarstedt.  Diese sind auch vom Volumen her bestens für die Speichelanalytik geeignet, da ein Flüssigkeitsvolumen von einem Milliliter in der Regel für die gesamte Hormonanalytik im Speichel ausreichend ist.

 

Zum Überführen des Speichels aus dem Mundraum in das Probengefäß verwendet man am besten einen kurzen Trinkhalm aus Plastik, der in jedem Supermarkt zu haben ist. Wegen der sehr kurzen Verweilzeit des Speichels im Trinkhalm sind seine physikalischen Eigenschaften unerheblich. Ein solcher Trinkhalm kann von einer Person auch mehrfach benutzt werden.

 

 

 

2.2. Störende Einflüsse im Speichel

 

 

Auch bei der Speichelanalytik gilt das Prinzip der Abnahme im nüchternen Zustand. Besonders hormonhaltige Nahrungsmittel (z.B. Milch oder Milchprodukte) stören die Bestimmung ganz erheblich und täuschen zu hohe Werte vor. Das gleiche gilt für die Einnahme von hormonhaltigen Medikamenten, die selbstverständlich einen signifikanten Einfluss auf die Hormonbestimmung haben. Wenn eine Medikamenten-Einnahme unvermeidlich ist, sollte diese Tatsache auf jeden Fall dem Labor in geeigneter Form mitgeteilt werden.

 

Bei der Speichelsammlung sollte die Schaumbildung möglichst vermieden werden. Wenn sich Schaum gebildet hat, sollte dieser direkt durch den Trinkhalm wieder abgesaugt werden. Das geeignete Probenvolumen des Speichels beträgt 1 – 1,5 ml (ohne Schaum). In den meisten Fällen sind aber auch Volumina von ca. 0,5 ml ausreichend.

 

Besondere Aufmerksamkeit müssen wir eventuellen Blutbeimengungen im Speichel schenken. Wie bereits oben erwähnt, findet man im Blut die 10 bis 100-fachen Hormonkonzentrationen im Vergleich zum Speichel. Daher genügen schon relativ kleine Blutverunreinigungen, um das Ergebnis der Speichelanalyse nachhaltig zu verfälschen. Es ist wichtig immer darauf zu achten, dass die Speichelprobe farblos ist. Jede Art von Färbung ist kritisch; ganz besonders eine Rotfärbung muß unbedingt vermieden werden. Selbst eine schwache Rotfärbung sollte Anlaß dafür sein, die Speichelprobe zu verwerfen. Dann spült man das Sammelgefäß mit Leitungswasser aus, wartet 10-15 Minuten und gibt eine neue Speichelprobe in das Gefäß. Manchmal kommt es vor, dass der Speichelfluss kaum oder gar nicht vorhanden ist. Dann sollte man versuchen, den Speichelfluß in Gang zu setzen, indem man sich etwas Schmackhaftes zu essen vorstellt oder mit Kaubewegungen den Speicheldrüsen vortäuscht, dass sie jetzt aktiv werden müssen. Die Verwendung von Kaugummi für diesen Zweck ist abzulehnen, da in diesem Material störende Substanzen enthalten sein können. Das Labor kann aber zum Kauen neutrales Parafilm zur Verfügung stellen. Dieses Material ist unbedenklich.

 

Es ist anzuraten nur farblose Sammelgefäße zu benutzen, da man so eine eventuelle Färbung des Speichels leichter erkennen kann.  Im Zweifelsfalle sollte man die Speichelprobe vor einer weißen Wand betrachten, um so eine Verfärbung zu prüfen. Wenn man alle genannten Vorsichtsmaßnahmen beachtet, kann man sicher sein, dass der Fehler durch eine (unsichtbare) Blutkontamination kleiner als 10% und somit zu vernachlässigen ist.

 

 

 

2.3. Stabilität der Speichelprobe

 

 

Von den Blutproben wissen wir, dass diese relativ instabil sind. Sie müssen daher immer kühl aufbewahrt und schnell ins Labor gebracht werden. Dies ist bei den Speichelproben wesentlich einfacher. Speichelproben für die Bestimmung der Steroidhormone sind sehr stabil. Sie können durchaus bis zu einer Woche bei normaler Raumtemperatur aufbewahrt werden und sind daher auch bei sommerlichen Temperaturen ohne Kühlung bequem mit der Post zu versenden. Beim Postversand ist darauf zu achten, dass feuchtigkeitsresistente Versandtüten verwendet werden, die ausreichend saugfähiges Material enthalten, um bei eventuellen Undichtigkeiten der Gefäße die gesamte Flüssigkeit sicher aufzusaugen. Obwohl die Stabilität der Speichelproben unkritisch ist, sollte man sie dennoch vorzugsweise im Tiefkühlfach aufbewahren, einfach um eine eventuelle bakterielle Verunreinigung in Grenzen zu halten. Eine starke Vermehrung der Bakterien erschwert die Bearbeitung der Speichelproben im Labor. Speichelproben können auch ohne Weiteres mehrfach eingefroren und wieder aufgetaut werden. Im Tiefkühlschrank sind Speichelproben nahezu unbegrenzt haltbar.

 

 

 

2.4. Strategie zur Sammlung von Speichelproben

 

 

Die optimale Strategie zur Sammlung von Speichelproben hängt in erster Linie von der medizinisch-diagnostischen Fragestellung ab. Man muß hier unterscheiden zwischen einem dynamischen Test und der Ermittlung einer durchschnittlichen Hormonkonzentration. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Konzentration eines Steroidhormons kein statischer Wert ist, sondern einer charakteristischen zeitlichen Dynamik folgt. Im Einzelnen kann die Hormonkonzentration abhängig sein von Variablen wie

 

- Tageszeitliche Änderungen

 

- Monatsschwankungen

 

- Altersabhängige Änderungen

 

- Geschlechts-spezifische Unterschiede

 

 Darüber hinaus zeigen sich bei einigen Hormonen auch kurzzeitige Konzentrationsschwankungen, die wellenförmige Änderungen zeigen mit einem sich wiederholenden Rhythmus von 1 – 3 Stunden. Diese Schwankungen zeigen sich sowohl im Blut als auch im Speichel. Daher kann eine einzelne Probenabnahme immer nur ein Zufallsergebnis bringen. In diesem Zusammenhang soll ausdrücklich betont werde, dass auch eine einmalige Blutabnahme zur Bestimmung von Steroidhormonen nur ein Zufallsergebnis liefern kann (Ausnahme Cortisol), selbst wenn die präziseste Analysenmethode angewendet wird. Daher muss von einer nur einmaligen Probenabnahme ganz dringend abgeraten werden. Dieses ist aber leider bei der Blutanalytik auch heute noch die Regel!

 

 

 

2.5. Steuerung der Hormonsekretion

 

 

Was ist der Grund für diese Kurzzeitschwankungen der Hormonkonzentration? Dazu muss man sich einmal die physiologischen Zusammenhänge der Hormonsekretion vergegenwärtigen. Die Sekretion der hier betrachteten Steroidhormone wird gesteuert von der Hypothalamus/Hypophysenachse. Von der Hypophyse wird zum Beispiel das LH (Luteinisierendes Hormon) sezerniert, das bei der Frau in den Ovarien (bzw. beim Mann in den Gonaden) die Bildung von vorwiegend Estradiol (bei Mann von Testosteron) bewirkt. Die Hypothalamus/Hypophysenachse ist auch ein ganz wesentlicher Bestandteil des menschlichen Zeitorgans. Daher werden die Hypophysenhormone typischerweise in einem charakteristischen zeitlichen Rhythmus in den Blutkreislauf ausgeschieden. Dieses wiederum hat zur Folge, dass die Stimulation der Zielorgane (im vorliegenden Beispiel die Ovarien oder die Gonaden) ebenfalls stoßweise erfolgt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass diese Zielorgane auch die Steroidhormone in einem ähnlichen Rhythmus absondern. Dieses führt zu den charakteristischen wellenförmigen Hormonprofilen, wie man sie ganz besonders sieht beim Testosteron, Estradiol, Progesteron und DHEA. Bei den relativ hohen Cortisol-Konzentrationen ist dies dagegen nicht erkennbar. Beim Cortisol sieht man aber ebenfalls unregelmäßige Kurzzeitschwankungen, die wohl eher durch psychische Faktoren oder durch Nahrungsaufnahme verursacht werden.

 

Folgende spezifische Angaben sind bei der Speichelsammlung unerlässlich:

 

- Alter und Geschlecht des Patienten

 

- Datum und Uhrzeit der Probenabnahmen

 

- Angabe der normalen Aufstehzeit (nicht der aktuellen). Maßgebend ist hier die durchschnittliche Aufstehzeit der letzten 7 Tage. Wenn dies zu sehr unregelmäßigen Zeiten der Fall war, so ist dies schriftlich kurz darzustellen.

 

- Bei Frauen im gebärfähigen Alter: Angabe des Datums der letzten Monatsblutung (entscheidend ist hier der Tag der ersten Blutung).

 

 Folgende Strategien zur Sammlung von Speichelproben für die Hormonanalytik werden empfohlen:

 

a) Profiltestungen: Hierzu werden Proben über einen definierten Zeitraum abgenommen (z.B. Tagesprofil, Monatsprofil etc). Ein Tagesprofil sollte aus mindestens 5 Proben bestehen.

Wenn man die durchschnittliche Aufstehzeit als Nullzeitpunkt betrachtet, dann sollten die Speichelproben abgenommen werden nach 1,   2,   4,  8,  16 Stunden. Je häufiger im Laufe des Tages Proben gesammelt werden, um so eindeutiger wird die Aussage der Hormonbestimmung sein. Probensammlungen für Monatsprofile wird man wohl nur bei weiblichen Patienten durchführen.

Auch hier gilt das Prinzip, je mehr Proben entnommen werden, um so eindeutiger wird die Aussage sein. Allerdings werden finanzielle Aspekte hier Grenzen setzen. Man sollte auf jeden Fall beginnen mit dem Einsetzen der Monatsblutung (sofern es eine solche gibt) und dann jeden dritten Tag (oder häufiger) eine Gruppe von 5 Proben sammeln (siehe nachfolgende Erläuterung).

 

 

b) Ermittlung des Mittelwertes: Hierzu wird innerhalb eines Zeitraumes von 2 bis 3 Stunden eine Probengruppe von mindestens 5 Proben gesammelt und an das Labor geschickt. Das Labor mischt dann gleiche Volumina dieser Proben und bestimmt den Mittelwert. Wegen der in Kapitel 2.4 beschriebenen ausgeprägten Kurzzeitschwankungen ist die Sammlung von Probengruppen wesentlich sinnvoller als die Sammlung von Einzelproben.

 

 

 

 

 

3. Die Messung der Hormonkonzentration im Labor

 

 

Messungen der Hormonkonzentration im Labor sollte man mit größter Sorgfalt durchführen, da man sich hier im Pikogramm-Bereich bewegt. Es können hier Effekte auftreten, die aus der Serum-Diagnostik unbekannt sind, da in den Speichelproben praktisch keine Proteine enthalten sind. Im Gegensatz zum Speichel enthält Serum hohe Proteinkonzentrationen. Die Hormonbestimmung im Labor sollte nur mit validierten zuverlässigen Testbestecken durchgeführt werden, die speziell für die Speichelbestimmung entwickelt wurden. Es ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass Testbestecke von verschiedenen Herstellern zu erheblichen Unterschieden bei den Messergebnissen führen können. Daher sind die Messergebnisse aus den verschiedenen Labors nur dann vergleichbar, wenn die gleichen Testbestecke verwendet wurden.

 

Normalwerte der Hersteller sind immer kritisch zu hinterfragen. Es gibt immer noch Hersteller von Testbestecken, die Normalwerte aus der wissenschaftlichen Literatur abschreiben, um sich die Mühen und Kosten einer eigenen Normbereichsermittlung zu ersparen. Es ist auch sehr wichtig, dass die Normalwerte für die Steroidhormone separat nach Geschlecht und Alter ermittelt wurden. Die Laborwerte in der Speichelanalytik lassen sich nur dann sinnvoll interpretieren, wenn separate Normbereiche vorliegen für Tagesprofile, Monatsprofile, Altersabhängigkeit und Geschlecht. Im Zweifelsfall muß das Labor eigene Untersuchungen hierzu durchführen.

 

 

 

3.1. Probenvorbereitung

 

 

Nach dem Eintreffen der Speichelproben im Labor sollten alle Proben erst einmal über Nacht eingefroren werden. Nach dem Auftauen sind alle Proben zu zentrifugieren, um einen klaren Überstand zu erhalten. Falls der Überstand noch nicht klar ist, sollte der Einfrier- und Auftauzyklus noch einmal (eventuell auch mehrfach) wiederholt werden. Dann sollte noch einmal eine visuelle Prüfung auf Rotfärbung (auch auf schwache Rotfärbung) vor einem weißen Hintergrund erfolgen. Jegliche – auch schwache - Rotfärbung ist unbedingt zu vermeiden.

 

Für die Mittelwertsermittlung sind jetzt gleiche Volumina der entsprechenden Probengruppe in einem neuen Gefäß zu mischen.

 

 

 

3.2. Analytische Systeme

 

 

Die Hormonbestimmung im Labor sollte nur mit validierten zuverlässigen Testbestecken durchgeführt werden, die speziell für die Speichelbestimmung entwickelt wurden. Es wird dringend davon abgeraten, hierzu Testkits aus der Serumanalytik zu verwenden, die nachträglich für die Speicheltestung modifiziert wurden. Mit solchen selbst-modifizierten Testsystemen sind im hier vorliegenden Konzentrationsbereich keine zuverlässigen Werte zu erwarten. Empfehlenswert sind vor allem Testbestecke, die offiziell zugelassen sind. Die Mindestanforderung ist eine CE-Kennzeichnung auf der Testpackung. Erhöhte Anforderungen an die Qualität solcher Produkte stellt die FDA in den USA beim Zulassungsverfahren nach 510(k). Im Zweifelsfalle sollte das Labor eine Kopie des Zulassungsbescheides beim Hersteller des Testbestecks anfordern. Es gibt bisher noch keine Laborautomaten, die Speicheltests durchführen können. Daher ist auf absehbare Zeit eine weitgehend manuelle Testdurchführung unumgänglich. Da heutzutage aber besonders die großen Laboratorien immer zur Testdurchführung auf Vollautomaten neigen, ist vom Arzt oder vom Patienten kritisch zu hinterfragen, wie und mit welchen Verfahren die Bestimmung der Steroidhormone im Speichel im Labor tatsächlich durchgeführt wird.

 

 

 

3.3. Ergebnisübermittlung und Interpretation der Werte

 

 

Das Labor sollte zum Messwert immer auch den dazugehörigen (alters- und geschlechtsspezifischen) Normalbereich angeben. Dieses ist aber nur dann möglich, wenn mit den Speichelproben alle erforderlichen Angaben an das Labor übersandt wurden. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen sowohl die zeitliche Dynamik als auch die Abhängigkeit der Hormonkonzentration vom Alter, Geschlecht und bei der Frau auch vom Zyklustag  berücksichtigt werden, um eine sinnvolle Aussage machen zu können.

 

Es soll nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine Hormonbestimmung aus einer einzigen Probe keine vernünftige Aussage erlaubt, weder in der Blutanalytik noch in der Speichelanalytik. Leider ist aber genau dieses noch heute unverständlicherweise der Normalfall bei der Analytik der Steroidhormone.

 

Bei der Interpretation der Hormonwerte sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

 

 a) Cortisol: Die Cortisol-Konzentration folgt einem ganz charakteristischen Tagesprofil. In den ersten beiden Stunden nach der gewöhnlichen Aufstehzeit zeigt sich ein deutliches Maximum. Es soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass die Lage dieses sogenannten Morgen-Peaks nicht von der aktuellen Aufstehzeit abhängt, sondern von der normalen Aufstehzeit der letzten 7 Tage. Nach dem Abklingen dieses Morgen-Peaks fällt das Cortisol kontinuierlich während des Tages ab, um abends bzw gegen Mitternacht einen Minimalwert zu..erreichen.

 

Jegliche Art von Stress aber auch Nahrungsaufnahmen machen sich im Tagesprofil durch einen mehr oder weniger starken Konzentrationsanstieg bemerkbar. Bei intensiver sportlicher Betätigung sieht man in der Erholungsphase einen steilen Konzentrationsanstieg, der durchaus das Niveau des Morgen-Peaks noch übertreffen kann. Nach mehreren Stunden klingt dann diese Konzentration wieder auf normale Werte ab.

 

 

b) Testosteron: Die Testosteronkonzentration bei Männern ist altersabhängig. Die maximale Konzentration sieht man bei jungen Männern im Alter von 10 – 30 Jahren. Die Testosteron-Konzentration bei Männern zeigt auch einen deutlichen Morgen-Peak, dessen Maximum aber noch vor dem Zeitpunkt des normalen Aufwachens liegt. Spätestens eine Stunde nach der normalen Aufwachzeit ist der Morgen-Peak abgeklungen und geht über in die normalen rhythmischen Kurzzeitschwankungen. Über den ganzen Tag betrachtet liegen die mittleren Konzentrationen abends ungefähr auf der Hälfte des (mittleren) Morgenniveaus. Bei Frauen sehen wir keinen ausgeprägten Tagesrhythmus und auch keine Altersabhängigkeit der Werte. Aber auch bei Frauen zeigt sich ein ausgeprägter Kurzzeit-Rhythmus. Der beste Laborwert zur Diagnostik des Hirsutismus bei Frauen ist die Bestimmung des Testosterons im Speichel (6). Bei Jungen ist die mittlere Testosteron-Konzentration abhängig vom Stadium der Geschlechtsreife. Bei intensiver sportlicher Betätigung sieht man bereits während der Aktivität einen steilen Testosteron-Konzentrationsanstieg, der unter anderem vom Trainingszustand des Sportlers abhängt. Nach Beendigung der sportlichen Aktivität klingt dann diese Konzentration wieder auf normale Werte ab. Bei untrainierten Menschen und bei großer Anstrengung kann die Speichel-Testosteronkonzentration in extrem niedrige Bereiche absinken.

 

 

c) Progesteron: Die Bestimmung dieses Hormons wird bei Frauen in klassischer Weise dazu benutzt, um die Hormonaktivität des Gelbkörpers (corpus luteum) zu überprüfen. Dieses Hormon ist von entscheidender Bedeutung zur Vorbereitung und Stabilisierung einer Schwangerschaft. Daher folgt die Hormonkonzentration bei Frauen im gebärfähigen Alter

 

einem ausgeprägten Monatsrhythmus. In der zweiten Hälfte des Monatszyklus steigt die Progesteron-Konzentration deutlich an, um dann zum Zyklus-Ende hin steil abzufallen und die Monatsblutung hervorzurufen. Auch während der Schwangerschaft sehen wir einen kontinuierlichen Anstieg der Konzentration dieses Hormons.

 

 

d) Bei Männern liegt die Progesteron-Konzentration ungefähr auf dem Niveau der ersten Zyklushälfte bzw auf dem Niveau von Frauen nach den Wechseljahren (Menopause).

 

Ganz besonders ausgeprägt sind die Kurzzeitschwankungen bei Frauen in der zweiten Zyklushälfte. Interessanterweise gehen diese Progesteron- Kurzzeitschwankungen häufig parallel zu den Schwankungen des Testosterons und auch des Estradiols, was auf einen ähnlichen Steuerungsmechanismus hinweist.

 

 

e) Estradiol (Östradiol): Dieses Hormon ist der Hauptvertreter der Estrogene (Östrogene). Die Hormonkonzentrationen des Estradiols bei der gebärfähigen Frau folgen ebenfalls einem charakteristischen Monatsprofil mit einem deutlichen Peak in der Zyklusmitte kurz vor der Ovulation (Eisprung).Bei erfolgter Befruchtung sehen wir einen kontinuierlichen Anstieg der Hormonkonzentration, ähnlich wie beim Progesteron. Die Basiskonzentration im weiblichen Zyklus liegt in einer ähnlichen Größenordnung wie beim Mann oder bei Kindern.

DHEA: Dieses Hormon ist der Hauptvertreter der Androgene und wird als die Vorstufe für die anderen männlich prägenden Hormone (Androgene) angesehen. Das Hormon kommt im Blut in wesentlich höheren Konzentrationen in konjugierter Form als Sulfat vor. Im Speichel dagegen liegt es ausschließlich als DHEA vor. Leider gibt es immer noch Labors, die die Bestimmung von DHEA-Sulfat (DHEA-S) im Speichel anbieten. Es muss an dieser Stelle ganz deutlich gesagt werden, dass die (durchaus mögliche) Messung von DHEA-Sulfat im Speichel nichts anderes als das Ausmaß von Blutbeimischungen widerspiegelt. Die Messung des Sulfates im Speichel erlaubt keinerlei Aussage über die Hormonaktivität. Dieses ist nur mit der Bestimmung des DHEA zu erreichen.

 

 

f) Die Interpretation der DHEA-Werte ist vergleichbar mit denen des Testosterons. Die Alters-abhängigkeit und die Abhängigkeit von der Tageszeit ist hier eher noch deutlicher ausgeprägt als beim Testosteron.

 

 

 

4. Vergleich von Blut- und Speichelanalytik

 

 

In diesem Kapitel sollen die Vor- und Nachteile der Serumanalytik mit denen der Speichelanalytik bei den Steroidhormonen einmal gegenüber gestellt werden. Es ist offensichtlich, dass der weitaus überwiegende Teil der heutigen Steroidanalytik auf der Serumbestimmung basiert. Dieses ist um so erstaunlicher, weil in der aktuellen wissenschaftliche Literatur reichlich überzeugende Veröffentlichungen zu finden sind, die die eklatanten Schwächen dieser Analytik vor allem im niedrigen Konzentrationsbereich eindrucksvoll belegen. Sicherlich gibt es auch einige Schwächen bei der Speichelanalytik, doch sind diese nahezu bedeutungslos in Anbetracht der eklatanten Mängel bei der Serumanalytik.

 

 

 

4.1. Die Hormonbestimmungen im Serum in der wissenschaftlichen Literatur

 

 

Ende 2003 hat eine französische Arbeitsgruppe um Taieb et al in einer sehr fundierten Untersuchung die Schwächen der derzeitigen kommerziellen Testsysteme zur Bestimmung des Testosterons im Serum aufgezeigt (1). Diese Arbeitsgruppe hat 10 der am populärsten kommerziellen Testsysteme zur Bestimmung von Testosteron in Serum untersucht. Bei Frauen und Kindern waren die veröffentlichten Untersuchungsergebnis nur als “katastrophal“ zu bezeichnen. Der Herausgeber war derartig entsetzt über die schlechten Ergebnisse, dass er in dieser Publikation allen Ernstes empfohlen hat, zukünftig ganz auf die Bestimmung des Testosterons bei Frauen oder Kindern zu verzichten. Ein schlichtes Erraten würde eine höhere Trefferquote bringen als die “Messung“ im Labor. Außerdem würde man sich so die Blutabnahme ersparen (2). Dieses vernichtende Urteil in einer der internationalen Top-Zeitschriften wurde danach auch noch von anderen Arbeitsgruppen bestätigt, ohne dass sich an der Laborroutine etwas Merkliches geändert hätte. Man muß sich an dieser Stelle einmal vergegenwärtigen, dass die in dieser Publikation genannten kommerziellen Testmethoden (vor allem die vollautomatischen) noch heute das Rückgrat der routinemäßigen Hormonbestimmungen praktisch aller Labors bilden. Dieses ist eine ungeheure Verschwendung von Geldern der Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen. Ähnliche Ergebnisse wurden gefunden bei der Untersuchung von kommerziellen Labormethoden zur Bestimmung von Estradiol und Progesteron im Serum in niedrigen Konzentrationsbereichen. (3) Daher ist es höchste Zeit, bei der Bestimmung der Steroidhormone neue und aussichtsreichere Wege zu gehen.

 

 

 

4.2. Physiologische Aspekte

 

 

Um die prinzipiellen Unterschiede der Steroidhormone im Blut und im Speichel zu verstehen, müssen wir uns einmal genauer ansehen, in welcher Form diese Hormone vorliegen. Im Blut liegen diese Steroidhormone überwiegend (zu 95-99%) gebunden an Bindungsproteine vor. In dieser gebundenen Form sind diese Hormone inaktiv und stellen eine Art biologisches Reservoir dar, das in Mangelzeiten aktiviert wird. Wir bezeichnen dieses als die gesamte Hormonkonzentration. Im Gegensatz dazu spricht man von der Hormonaktivität, wenn man nur die freien Hormone meint, die nicht an diese Bindungsproteine gebunden sind. Es ist wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass die gesamte Hormonkonzentration im Blut weitaus überwiegend aus vollständig inaktiven Hormonen besteht. Die Konzentration dieser gebundenen Hormonfraktion ist stark abhängig von der Konzentration der Bindungsproteine. Daher kann man ein Messergebnis im Serum überhaupt nur dann vernünftig interpretieren, wenn man gleichzeitig auch die Konzentration der Bindungsproteine misst. Dieses bedeutet mindestens einen doppelten Aufwand. Letztendlich erhält man so nur ein indirektes Messergebnis der Hormonaktivität, das noch mit einem relativ großen Fehler behaftet ist und in jedem Falle lediglich ein Zufallsergebnis darstellt (siehe oben). Die traurige Realität aber ist heute immer noch, dass der weitaus überwiegende  Teil der Steroidbestimmungen im Serum gemacht wird, ohne die Bindungsproteine mitzubestimmen und ohne die physiologischen Kurzzeitschwankungen zu berücksichtigen. Dementsprechend gering ist auch die Trefferquote. Nur ein kleiner Teil der Hormone (1-5%) liegt in freier Form vor. Aber dieser freie Anteil ist die eigentlich aktive Hormonfraktion und repräsentiert damit die biologische Hormonaktivität. Nur in der freien Form können die Steroide ihre biologische Aktivität entfalten. Diese biologische Aktivität der freien Hormone im Blut kann man aber mit keiner Routinemethode zuverlässig messen (auch wenn dieses von einigen Herstellern fälschlicherweise behauptet wird). Dazu gibt es zumindest im Falle des Testosterons in der neueren Literatur genügend überzeugende Beweise (4).

 

Wenn man die freie Hormonaktivität in der Routine messen möchte, muss man zwangsläufig übergehen zur Speichelanalytik. Daher gibt es zur Speicheltestung für die Routine keine Alternative, wenn man die freien Steroide und damit die biologische Aktivität bestimmen will.

 

Wie kommt es, dass man im Speichel die freien Steroidhormone findet? Blut und Speichel sind im menschlichen Körper getrennt durch eine Membran in den Speicheldrüsen, die die Steroidhormone durch passive Diffusion problemlos durchqueren können. Dieses geht aber nur dann, wenn die Hormone klein genug sind und keine elektrische Ladung tragen. Genau das ist der Fall bei den hier betrachteten Steroidhormonen. Daher repräsentiert die Speichelkonzentration der Steroide in idealer Weise die tatsächliche biologische Hormonaktivität. Aus diesem Grunde bestimmt man im Speichel grundsätzlich die Aktivität der Steroide, während man im Blut fast ausschließlich nur die inaktive (weil gebundene) Hormonkonzentration messen kann. Dieses ist ein ganz besonderer Vorteil, der die Speichelbestimmung so wertvoll macht.

 

 

 

4.3. Analytische Aspekte

 

 

Es gibt im Blut (ebenso im Serum, bzw im Plasma) eine ganze Reihe von Substanzen, die z.T. ganz erheblich mit den kommerziellen Testsystemen zur Steroidbestimmung im Serum bzw Plasma interferieren und damit diese Analytik erheblich erschweren oder gar verfälschen. Hierbei sind in erster Linie die sog. Konjugate zu nennen. Dieses sind Verbindungen zwischen den Steroiden und anhängenden chemischen Gruppen wie Sulfate (siehe DHEA-Sulfat im Kapitel 3.3.e). Diese Konjugate kann man als Abbauprodukte der Steroide ansehen, über die diese Verbindungen durch die Nieren ausgeschieden werden. Diese Konjugate stören die meisten kommerziellen Testsysteme ganz erheblich, da sie strukturell den Steroiden sehr ähnlich sind. Früher wurden diese Konjugate durch Extraktionsverfahren eliminiert. Heutzutage werden diese Extraktionsverfahren nicht mehr durchgeführt, weil die Hersteller der kommerziellen Testsysteme behaupten, dass dies nicht mehr nötig sei, was aber stark bezweifelt werden darf.

 

 Tatsächlich gibt es publizierte Untersuchungen die belegen, dass diese Extraktionsverfahren auch bei den heutigen Methoden signifikante Verbesserungen der Resultate bringen (3). Für die Speicheldiagnostik ist ein sehr wichtiger Aspekt, dass diese störenden Konjugate aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften die trennende Membran zwischen Blut und Speichel nicht durchdringen können. Daher spielt eine mögliche Störung durch diese Konjugate bei der Speichelanalytik keine Rolle mehr. Dieses ist ein ganz entscheidender Vorteil für die Speicheldiagnostik, die diese Bestimmungsmethoden wesentlich weniger störanfällig macht im Vergleich zur Serumanalytik.

 

Wie im Kapitel 4.2. bereits kurz erwähnt, gibt es auch kommerziell erhältliche Testbestecke zur Bestimmung von einigen freien Steroiden im Serum. Das gilt z.B. für das freie Testosteron und für das freie Cortisol. Es muss dringend davor gewarnt werden, diese Testbestecke zu benutzen; sie sind hochgradig unzuverlässig. Aufgrund der relativ schwachen Bindung der Steroide an die Bindungsproteine ist es prinzipiell nicht möglich, die freien Hormone im Serum oder Plasma mit einem sog.  Immunoassay zu bestimmen. Dies ist in der Literatur in überzeugender Weise dargestellt (4). Die einzig zuverlässige Methode zur Bestimmung dieser freien Steroidhormone im Serum oder Plasma ist die sog. symmetrische Gleichgewichtsdialyse. Dieses Verfahren ist aber derartig aufwendig und damit teuer, dass es für die routinemäßige Anwendung nicht infrage kommt. Wir haben eine nahezu perfekte Vorrichtung in unserem Körper, nämlich die Speicheldrüsen, die in nahezu idealer Weise das Prinzip der symmetrischen Gleichgewichtsdialyse widerspiegeln (siehe Kapitel 4.2.). Daher kommt die Bestimmung der freien Hormonaktivität im Speichel dem idealen Messprinzip sehr nahe und wird sich mit Sicherheit durchsetzen gegenüber den fragwürdigen kommerziellen Methoden im Serum oder Plasma. Wie unter anderem im Kapitel 4.1. dargestellt, ist auch die Bestimmung der Gesamtkonzentration der Steroidhormone im Plasma besonders im niedrigen Konzentrationsbereich abzulehnen, weil die heute verwendeten Routinemethoden nichts anderes als reine Zufallsergebnisse liefern (7,8).

 

 

 

4.4. Ethische Aspekte

 

 

Speichelproben lassen sich von den Betroffenen (im Gegensatz zu Blutproben) praktisch jederzeit und ohne ärztliche Hilfe gewinnen. Das schließt auch Speichelentnahmen auf Reisen, am Arbeitsplatz, beim Sport und in der Nacht ein. Auch bei Kleinstkindern, alten Patienten oder bei ängstlichen bzw empfindlichen Patienten ist die Speichelsammlung kein Problem. Ohne jegliche Einschränkungen kann man beliebig viele Speichelproben nacheinander abnehmen und damit sehr detaillierte Hormonprofile aufnehmen. Diese sind in ihrer Aussagekraft einer einmaligen Probenentnahme weit überlegen. Die Ärzte sollten sich immer darüber im Klaren sein, dass mit der Entnahme einer Blutprobe eine Verletzung des Patienten verbunden ist. Bei Kleinkindern ist eine Blutabnahme oft geradezu eine Tortur. Es gibt viele Erwachsene, die bei einer Blutabnahme (aus Angst) regelmäßig bewusstlos werden. Einige Patienten haben so „schlechte“ Venen, dass nach einer Blutnahme (nach mehreren Versuchen) der Patient mit Hämatomen an beiden Armen nach Hause geschickt werden muss.

 

Alle diese Probleme kann man elegant vermeiden, wenn man zumindest für die Bestimmung der Steroidhormone auf Speichelproben übergeht, die ja ohnehin eine überlegene Labordiagnostik mit sich bringen.  Daher ist es inzwischen nicht mehr zu verantworten, eine Blutprobe zu entnehmen für eine Bestimmung der Steroidhormone, für die eine Speichelprobe immer die bessere Alternative darstellt. Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass die vorstehende Aussage zumindest zur Zeit nur für die Bestimmung der Steroidhormone gilt. Für andere Hormone ist nach wie vor eine Blutabnahme unerlässlich.

 

Häufig ist von ärztlicher Seite das Argument zu hören, dass man alle Hormone aus einer Blutprobe bestimmen lassen will, da Blut ohnehin abgenommen werden muss. Dieses Argument kann man nicht gelten lassen, da bei den Steroidhormonen eine Einzelbestimmung aus Blut (bzw. Serum oder Plasma) prinzipiell immer lediglich ein Zufallsergebnis bringen kann.

 

 In Anbetracht der ohnehin überlegenen Speichelanalytik ist vor allem eine wiederholte Blutabnahme zur Bestimmung der Steroidhormone schon aus ethischen Gründen strikt abzulehnen. Diese Aspekte sind sicherlich ein ganz wesentlicher Grund für das weit verbreitete Interesse der Patienten an der Hormonbestimmung im Speichel. Diesem sollten sich auch die Ärzte und auch die Labors nicht auf Dauer verschließen.

 

 

 

 

 

5. Schlussbetrachtung

 

 

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine vernünftige und aussagefähige Analytik der Steroidhormone am zuverlässigsten mit Speichelproben durchgeführt werden kann. Die Speichelbestimmung ist der Blutbestimmung in allen Aspekten weit überlegen und sollte von allen beteiligten Stellen gefördert werden zum Wohle aller betroffenen Patienten. Letztendlich sollte immer

 

das Wohlergehen der Patienten und nicht die Interessen des Medizinbetriebes im Vordergrund stehen.

 

Die vorstehenden Ausführungen sind in erster Linie für die betroffenen Patienten geschrieben, um ihnen die Möglichkeiten einer modernen Hormonanalytik zu erläutern. Aber auch die professionellen Beteiligten am medizinischen Betrieb (Ärzte, Labors, etc) sollten sich nicht den neuen Erkenntnissen verschließen und liebgewonnene Gewohnheiten kritisch überdenken, damit den Patienten nun auch wirklich wirksamer geholfen werden kann. Den Entscheidungsträgern der finanziellen Aspekte im medizinischen Betrieb (Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen etc) wird dringend geraten darüber nachzudenken, welchen Sinn es noch macht, die unbrauchbaren Labormethoden (s. Kapitel 4.1.) weiterhin zu finanzieren und damit zu fördern. Den Herstellern von Testbestecken zur Bestimmung der Steroide in Serum und Plasma (besonders der vollautomatischen Methoden) wird dringend empfohlen, sich die neuesten Publikationen zur Qualität ihrer Produkte einmal genau anzusehen (1). Man sollte diese Produkte schnellstens vom Markt nehmen und neu entwickeln.

 

 

 

 

 

 

 

Literaturanhang:

 

1. Author: Joelle Taieb, Bruno Mathian, Francoise Millot et.al.

 

Titel: Testosterone Measured by 10 Immunoassays and by Isotope-Dilution Gas Chromatography-Mass Spectrometry in Sera from 116 Men, Women, and Children

 

Erschienen in: Clinical Chemistry 2003 (49:8) Seiten 1381 – 1250

 

2. Author: David A. Herold, Robert L.Fitzgerald

 

Titel: Immunoassays for Testosterone in Women: Better than a Guess? (Editorial)

 

Erschienen in: Clinical Chemistry 2003 (49:8) Seiten 1250 – 1251

 

3. Author: Frank Z. Stanczyk, Michael M.Cho, David B.Endres et.al.

 

Titel: Limitations of direct estradiol and testosterone immunoassay kits

 

Erschienen in: Steroids 2003 (68) Seiten 1173 – 1178

 

4. Author: William Rosner

 

Titel: An Extraordinarily Inaccurate Assay  for Free Testosterone Is Still with Us

 

Erschienen in: Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2001 (86:6) page 2903

 

5. Author: Charles D. West, Damodar K. Mahajan, Virginia J. Chavré et.al.

 

Title: Simultaneous Measurement of Multiple Plasma Steroids by Radioimmunoassay Demonstrating Episodic Secretion.

 

Erschienen in: Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 1973 (36 No.6) Seiten 1230 – 1236.

 

6. Author: Josko Osredkar, Ivan Vrhovec, Niko Jesenovec et.al.

 

Titel: Salivary free testosterone in hirsutism

 

Erschienen in: Ann. Clin. Biochem. 1989 (26) Seiten 522 – 526

 

7. Author: Alvin M. Matsumoto, William J. Bremner

 

Titel: Serum Testosterone Assays – Accuracy Matters (Editorial)

 

Erschienen in: Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2004 (89:2) Seiten 520 – 524

 

8. Author: Christina Wang, Don H.Catlin, Laurence M.Demers et.al

 

Titel: Measurement of Total Serum Testosterone in Adult Men: Comparison of Current Laboratory Methods Versus Liquid Chromatography – Tandem Mass Spectometry

 

Erschienen in: Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2004 (89:2) Seiten 534 – 543

 

Mobile Ansicht

® ISD Labor 2018

Impressum

AGB